Interview mit Jacques de Loustal
Dossiere: LOUSTAL : Von Volker Hamannl p. 53 -67 |
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"Unsere
erste Frage bezieht sich auf das Projekt "Barney et la note
bleu". In dieser arbeit geht es ja um den Hintergrund Jazzmusik.
Wie hast Du den Musiker Barney Wilen kennen gelernt und wie kam es zur
Zusammenarbeit mit Paringeaux? Loustal: Das
Album war eine Idee meines Szenaristen Paringeaux. Läßt
das Team Loustal / Paringeaux die Comicfigur Barney dann auch aufgrund
der so engen Verwandtschaft mit dem realen Musiker Barney Wilen sterben? Wie
hat der Musiker Barney Wilen "seinen" Tod in einem Comic aufgefasst? Ist
es auch diese Art Jazz, die Du magst? Dann
ist Dir bestimmt auch der Film "L'ascenseur pour l'echafaud"
(Frankreich 1957, Regie: Louis Malle) in bester Erinnerung? Und
wie steht es mit "Round Midnight" von Bertrand Tavernier? Der
Film erzählt ja sehr genau die Lebensgeschichte des Jazzmusikers Bud
Powell in Paris. Hat der Film aufgrund einiger Parallelen zu Eurem Comic
einen Einfluß auf Dich gehabt? Ich
möchte weitergehen und Dich nach Deiner Zusammenarbeit mit Paringeaux
einiges fragen. Für meine Begriffe haben alle diese Alben, die in
Zusammenarbeit mit Paringeaux entstanden, eine bestimmte Atmosphäre,
die sich durch sie hindurch zieht wie ein roter Faden. Loustal:
Ich
habe Texte von Paringeaux in dem Musikmagazin "Rock &
Folk" gelesen, und ich mochte diese Texte sehr gerne. Anders herum
gefielen auch Paringeaux meine Arbeiten, meine Zeichnungen. Wir
entdeckten eine gewisse Gemeinsamkeit dessen, was wir mit unseren
Arbeiten ausdrücken wollten. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir
uns trafen. Man
kann in Euren gemeinsamen Arbeiten eine bestimmte Atmosphäre ausmachen
... ich möchte sie umschreiben mit Schwüle, Dekadenz, Wärme, ein
gewisser Fatalismus, die Menschen "strömen"einfach so durch
das Leben ... Loustal:
Diese
Stimmung, also die Wärme, die Schwüle erkläre ich mir mit meinen
Eindrücken während vieler Reisen in Länder, wo die Leute schwitzen müssen.
Es sind aber auch Eindrücke, die das neue amerikanische Kino
vermittelt, welches ich sehr gerne mag. Hinzu kommt, dass Paringeaux
dieselben Dinge mag wie ich, unser gemeinsamer Geschmack triff sich
hier. Zum
Stichwort Kino: In Euren Comics trifft man auch sehr oft auf Klischees,
Elemente des klassischen Hollywood-Kinos der 30er und 40er Jahre,
teilweise auch der 50er Jahre. Ich denke da an Filme mit Humphrey
Bogart, Clark Gable. Lässt Du Dich durch diese Filme inspirieren? Loustal:
Dazu muss ich sagen, dass Paringeaux 10 Jahre älter ist als ich, und da ist
es schon fast eine Generationsfrage, welches Kino man liebt. Paringeaux
ist sehr vom Kino der 30er und 40er Jahre begeistert, ich hingegen, eben
eine Generation später, bin mehr für Filme der 60er Jahre zu haben.
Sicher sind mir die klassischen Hollywood-Filme ein Begriff, einen Einfluss
auf mich haben aber eher die Filme von Don Siegel, Clint
Eastwood ... Also
eher das moderne 'Action-Kino"... Loustal:
Ja,
würde ich so sagen ... Gehen
wir mal zu den Figuren, die in Euren/Deinen Comics handeln. Auch hier
sehe ich gewisse Gemeinsamkeiten. Es sind oft Personen, die sich in eine
Handlung verstricken und in dieser Handlung weitertreiben, meist auf ein
böses Ende zu. Vor allem Deine Frauen machen auf mich diesen Eindruck;
sie suchen verzweifelt nach Liebe, nach Glück, während die Männer
meist unbeteiligt daneben stehen und eher heroisch wirken. Loustal:
Paringeaux
und ich lassen eine Handlung oft zur Farce werden. Das ist' dann alles
andere als komisch und zieht zwangsläufig ein unglückliches Ende nach
sich. Allerdings kann ich die Charakterakterisierung der
Figuren dadurch, dass
ich sie zeichne, nur wenig beeinflussen.
Ich verlasse mich voll auf
meine Szenaristen und setze gerne
deren Texte in Zeichnungen um. Für mich ist das
Szenario sehr wichtig, die
Epoche, die Zeit der Handlung und
der Ort. Das sind drei Punkte, die für
mich stimmen müssen, damit
ich gerne zu arbeiten beginne. Der Versuch,
der Ge schichte durch meine
Zeichnungen eine bestimmte Psychologie zu verleihen, interessiert mich auch nicht; ich
akzeptiere die Arbeit des Szenaristen. Du
siehst Dich also mehr als reiner Illustrator
von Texten ? Loustal:
Genau
...
Loustal:
Schon Deine ersten
Arbeiten, ich denke da zum
Bei spiel an "Zenata Beach",
illustrieren ja weitgehend
kleinere Texte, die dann
unter dem Bild stehen. Ich
sehe aber auch, dass Du
Dich immer wieder zum "klassischen Comic-Künstler"
entwickelst. In einem
Deiner neueren Werke verwendest Du bei Spielsweise Sprechblasen.
Siehst Du in dieser Art der
Er Zählung eher zu künftige Chancen,
möchtest Du weg kommen von der
reinen Illustration? Loustal:
Es
sind Stationen in meiner Entwicklung. Ich habe
Lust, allerlei Aus drucksmittel des
Comic kennen zu lernen. Stile,
Graphik, Sprechblasen sind nur Versuche in dieser Entwicklung,
was nicht heißt, dass ich dabei bleibe. Damit
gehst Du ja auch mehr auf Deine Leser ein. Es ist nicht das
"normale, comiclesende" Publikum, welches sich für Deine
Arbeiten begeistert, sondern eher eine Kunstorientierte Leserschaft, die
eine Ader, den Blick für die Kunst hat. Loustal:
Ich
möchte keine bestimmte Gruppe mit meinen Comics ansprechen. Ich mache
ganz einfach Bilder, die einen gewissen künstlerischen Anspruch haben
und somit auch Comics, die sehr von der Kunst beeinflusst sind. Kommen
wir noch einmal zurück auf Deinen Stil. Siehst Du eventuelle Vorbilder
von Dir in der klassischen modernen Malerei? Gibt es da auch einen
Zusammenhang zu Deinem Architekturstudium? Loustal:
Ich
bin Architekt. Sicherlich hat mich mein Studium in dieser Hinsicht beeinflusst, so wie es meinen Blick Loustal:
Na
klar, die Malerei dieses Jahrhunderts und die Architektur der 30er Jahre
haben mich schon sehr fasziniert, es ist der Realismus all dieser Dinge,
im speziellen der ' 20er und 30er Jahre, der mich interessiert. Eduard
Dupeur, Beckmann, Modigliani, Matisse... Besonders
Deine späteren Sachen, im speziellen das Portfolio Escales , erinnern
mich sehr stark an Modigliani. Ja,
das sehe ich auch. So ein bisschen Matisse, ein bisschen Modigliani... Du
hast einen sehr stilisierten, relativ abstrakten und auch ein wenig naiv
wirkenden Zeichenstil... vor allem bei Deinen Personen. Wie verträgt sich
dies mit dem angelernten, akademischen Strich des technischen Zeichnens während
Deines Studiums? Loustal:
Du
hast recht. Eigentlich zeichne ich sehr realistisch. Aber durch meine
Personen, oder vielmehr deren Darstellung nehme ich Distanz zum so genannten
akademischen Strich, um abstrakt zeichnen zu können. Dazu
bieten sich meine Personen in den Comics an. Es ist mein Stil. Gerade wenn
meine Figuren realistisch sein sollen, dann zeichne ich eine Kleinigkeit,
ein Detail unrealistisch. Zum Beispiel einen kleinen Hund ... Einen
"Schweinehund"... Loustal:
Ja,
Hunde haben für mich etwas groteskes. Diese Hunde, wie ich sie zeichne,
passen ganz gut zum Ambiente, das ich nicht mag, das aber eine Stimmung
ausstrahlt, die ich wiederum sehr gern habe und die ich durch ein
komisches Tier, durch Löcher in den Wänden, eine Eidechse unterstreiche.
Es ist diese Stimmung, die man in Ländern wie Afrika antrifft. Du machst Dich also auch eire wenig
liber theses Ambiente, dieses Klischee lächerlich? Woher
kommen die Gesichter, die Du malst. Sind es reale Gesichter oder
entspringen sie Deiner Phantasie? Loustal:
Ich
bin wahrscheinlich unfähig, ein reales Gesicht zu zeichnen. Daher
entstammen alle meine Personen auch meiner Phantasie. Nicht deren
Charakter, aber ihre Physiognomie. Loustal:
Nein.
Ich bin mir bewusst geworden, Zeichner vieler Bilder zu sein, aber
anscheinend bin ich untalentiert, eine Geschichte zu schreiben.
Ich
glaube, dass Deine Bilder oft mehr zu erzählen haben, als der begleitende
Text. Loustal: Eben. Meine Zeichnungen, meine Malereien sind eine Anekdote. Sie alle sind für sich eine kleine Geschichte, aber ich schaffe es nicht, eine Verbindung zwischen ihnen zu schaffen. Deshalb sind auch alle Geschichten, die ich geschrieben habe, sehr kurze Geschichten. Interview Agnes Borie Grenoble 1989.
© Dossier Loustal p. 60 -53 (!) , in :Comic Reddition, nr. 15 edition Alfons, 1989 |