Von Volker Hamann
Jacques De Loustal, 1956 In Frankreich Geboren, Gehört
Zu Den Wegbereitern Des Modernen Europäischen Autoren Comic, Dem Er Sich
Vom Beginn Seines Schaffens An Verschrieben Hat. Sicher Entwickelte Er
Seine Art Der Erzählung Mehr Unbewußt Als Im Hinblick Darauf, Etwas
Neues Bringen Zu Wollen. Wie Es Aber Manchmal So Kommt, Lag Er Mit Seinen
Geschichten (Die Größtenteils In Zusammenarbeit Mit Philippe Paringeaux
Entstanden) Voll Im Trend Und Konnte Seine Popularität Bis Heute Stetig
Ausbauen. In Einer Zeit, In Der Den Niveau Und Anspruchsvollen Comics
Immer Mehr Aufmerksamkeit Geschenkt Wird, Ist Eine Kurze, Kritische
Betrachtung Der Arbeiten Loustals Mehr Als Überfällig.
Daß die französische Comicszene einen Künstler wie
Jacques de Loustal hervorbrachte, ist wieder einmal einem dieser
unglaublichen Zufälle zu verdanken, ohne die wohl vieles in der
europäischen Comic-Szene karger aussehen würde.
Während seines Architekturstudiums (ab 1973) bewegt
sich der damals 19 ährige Jacques auch in
den dafür typischen Kreisen und entdeckt in einer
kleinen Pariser Studentenbuchhand- lung das von der "Lycee de
Sevre" herausgegebene Fanzine "Cyclone". Begeistert von
dieser Zeitschrift, bietet Loustal dem Redaktionsteam einige seiner
Zeichenversuche an und fragt nach der Möglichkeit einer
Veröffentlichung. Die bis dato von ihm realisierten Zeichnungen Z eigen
überwiegend Straßenszenen des nächtlichen Paris, also Gebäude und
Autos, sind eigentlich schon ganz typische Loustal'sche Arbeiten, jedoch
noch sehr unaus ereift. Obwohl schon seit frühester Jugend am Zeichnen
interessiert (es gibt wohl kaum einen heute erfolgreichen Zeichner, der
dies nicht von sich sagen würde), wurde diese Neigung durch den
elterlichen Wunsch, der Sohn möge doch einen "ordentlichen"
Beruf erlernen, unterdrückt. Mit dem Kontakt zu den Leuten von
"Cyclone" ergibt sich für den jungen Loustal endlich die
Chance, sein Talent einem Publikum vorzustellen.
Ebenso wichtig ist aber auch das Zusammentreffen mit
Tito, einem Mitglied des besagten Redaktionsteams, mit dem zusammen das
erste Album ("Loustal et Tito", 1977) entsteht, eine Art Extra
Nummer neben den regulären Ausgaben von"Cyclone".
Ermutigt durch die positive Reaktion und Kritik an
seinen Arbeiten setzt Loustal nun neben dem Studium seine graphischen
Gehversuche fort und ent wickelt langsam Eigenständigkeit und einen Stil,
der sehr illustrativ wirkt und sich für die Bebilderung von Artikeln
bestens eignet. So wundert. es auch kaum, daß er als Leser der
französischen Musik Zeitschrift "Rock & Folk" auf die Idee
kommt, denen seine Arbeiten anzubieten. Eine sehr gute Idee, die sich
enorm auf seinen weiteren Werdegang auswirkt.
LOUSTAL UND DIE ROCKMUSIK
Die Leute von "Rock & Folk sind wahrscheinlich
von den Zeichnungen Loustals ebenso Angetan, wie schon einige Jahre zuvor
das Team von 'Cyclone", denn bereits kurz nach seiner Vorspräche
erscheinen Artikellogos aus der Feder Loustals. Einen dieser Artikel
schreibt ein gewisser Philippe Paringeaux seines Zeichens Chefredakteur
von "Rock & Folk
Aus der Zusammenarbeit entwickelt sich eine
Freundschaft aus dieser Freundschaft heraus wiederum entstehen Ideen für
Geschichten, die in Comicform (als Franzose interessiert man sich
selbstredend für dieses Medium) als der idealen Ausdrucksform entwickelt
werden. Eine der ersten Geschichten dieser Art ist "Crazy Ti "
die an vielen.
Idolen orientierte Lebengeschichte eines Rockmusikers
und in gewisser Weise der Vorläufer des späteren Albums "Barney et
la Note Bleue". Weiter Veröffentlichungen in illustrativer oder
erzähl ende Form (die Loustal übrigens bis zum heutigen Tage wenn auch
nur sporadisch, für "Rock & Folk "'zeichnet) machten nicht
nur Paringeaux auf das Talent Loustals aufmerksam.
Auch Serge Clerc, damals ebenfalls freier Illustrator
von"Rock & Folk", beginnt sich für seine Arbeiten zu
interessieren. Clerc, der bereits seit 1975 regelmäßig in dem im
gleichen Jahr gegründeten "Metal Hurlant" mit Comics vertreten
war, stellt dann auch den ersten Kontakt zu diesem reinen Comic-Magazin
her, der für Loustal und Paringeaux den Beginn Ihrer Comic-Karrieren
bedeutet. (Im Falle Paringeaux ist mit Karriere die spätere Chefredaktion
des bis 1982 bei den Edition Fromage, danach bei der Edition Albin Michel
erscheinenden Magazins L'Echo des Savanes" gemeint. Heute ist das
Blatt eher eine Comic-Illustrierte mit Fleisch-Beschauung als die
innovative Publikation, die es mal war).
Im März 1979 erscheint "Blues" als erste
Arbeit von Loustal/Paringeaux in "Metal Hurlant". Doch das ist
erst der Anfang einer Reihe von Kurzgeschichten, die diese Zusammenarbeit
hervorbringen wird.
LOUSTAL UND PARINGEAUX
Es ist nicht verkehrt, von Jacques de Loustals und
Philippe Paringeaux Arbeit an ihren ersten Kurzgeschichten als vehemente
Suche nach einem Stil, nach Ausdrucksmitteln zu bezeichnen. So fällt der
erste Einsatz von Farbe in die Periode, in der das Team vorwiegend
Kurzgeschichten . gestaltet, genauer in das Jahr 1980, als der bis dahin
verwendete Strich keinen Raum mehr für die Eindrücke, die vermittelt
werden sollen, bietet.
Auch die Suche nach einem bevorzugten Thema wird
deutlich, schaut man sich alle von Paringeaux in dieser Zeit geschriebenen
Geschichten an. Da findet man neben den durch die Rockmusik beeinflußten
Storys auch die Erzählungen erfolgloser, kleiner Gauner oder die
Impressionen von Hotelbesitzern an irgendeinem, von Touristen
überfülltem Strand.
Beide Komponenten, sowohl die stilistische, graphische,
als auch die inhaltliche, werden in diesen Jahren von den beiden
Künstlern geprägt und bilden die Grundlage für ihre so typischen,
einzigartigen Arbeiten.
Stilmittel: Die Kunst
Das oben genannte auffälligste Ausdrucksmittel
Loustals ist der als innovativ zu bezeichnende, konsequente Einsatz eines
Strichs, der bisher in den Comics, wenn überhaupt, dann nur wenig Eingang
fand, und auch dann nicht in derselben abstrakten Form. Gemeint ist hier
nicht etwa die ausufernde Verwendung aller denkbaren Striche vieler
Künstler der Modernen Malerei (wie etwa zu sehen bei dem frühen Jose-Antonio
Munoz und dessen Ähnlichkeiten mit Holzschnitten der Expressionisten;
oder etwa Kent Wiffiams "Blood - a tale", welche von Darstellung
und Stil her sehr an die Bilder eines Francisco de Goya erinnert), sondern
eine eigenständige graphische Umsetzung die nicht aus dem Kopf, sondern
aus dem Bauch heraus kommt. Klarster Beweis für das schlummernde Talent,
welches in Loustal steckt(e), sind die unreifen Zeichnungen aus seinen
Anfängen, die zwar noch bei weitem nicht die Klarheit späterer Jahre
hatten, aber doch schon zu Ausdruck und Atmosphäre fähig waren.
Die Ursache oder vielmehr der Ursprung für die
Stilfindung Loustals liegt wohl in den Eindrücken begründet, die er 1983
(nach Beendigung seines Studiums) während seines Militärdienstes in
Marokko gewinnt und die er in seinen Zeichnungen verarbeitet. Hier beginnt
er durch den Einsatz von Aquarellund Gouache-Farben den Ausdruck in seinen
Bildern zu schaffen, den wir unwillkürlich mit der Hitze, der Wüste, dem
Schweiß auf der nackten Haut verbinden.
Die Bilder , die während seines Aufenthaltes in
Marokko entstehen, werden nach seiner Rückkehr als Buch unter dem Titel
"Zenata Plage" veröffentlicht und begründen den Beginn der
steilen Karriere Loustals. Hier scheint es ein Comic-Zeichner endlich
einmal geschafft zu haben, ohne bewußte Abguckerei seine Arbeiten auf
"Kunst"zu"trimmen" und ihnen damit ein nicht nur
oberflächlich vorhandenes Niveau zu geben. Der Leser, oder vielmehr
Betrachter dieser Bilder merkt schnell, daß hier ein Künstler sein
Handwerk, nämlich das Einfangen von Impressionen, Stimmungen geradezu
perfekt beherrscht, und daß es ihm gar nicht darum geht, großartig
aufgebaute, rasante Handlungen voller Action zu erzählen. Damit ist ein
weiteres Stilmittel in Loustals Arbeit gefunden, was auch bei Paringeaux
auf Begeisterung zu stoßen scheint.
Stilmittel: Die Wüste
Ein aus einer Unmenge an Sandkörnern stehendes
Territorium in diesem Zusammenhang als Stilmittel im Werk eines Künstlers
und dessen Szenaristen zu bezeichnen, erscheint hoffentlich nur auf den
ersten Blick als ein wenig von-wer-weiß-wo-hergeholt, soll es doch nicht
nur die physikalische Beschaffenheit eines Landstrichs wiedergeben,
sondern auch Wüste in Gedanken, in Gesprächen, im Menschen selbst.
Denn genau dies sind die Handlungsträger in den
Geschichten von Paringeaux nach der Rückkehr Loustals und der
Veröffentlichung seiner "Zenata Plage"-Bilder. Der Trend in den
nun entstehenden Geschichten geht weg vom hektischen Großstadt und
Nachtleben, vom Betonmeer, entfernt sich von der Rockmusik und wird
stiller, einfühlsamer. Die Handlung entdeckt den freien Raum, die Leere.
Ausdruck findet dies in einer großzügigeren Panelaufteilung die
zuläßt. e zuweilen nur 2 Bilder pro Seite Aber auch Landschaft und
Himmel werden immer größere Objekte für Loustal er entdeckt das
Stilleben der Natur für den Comic. Parallel dazu entwickelt Paringeaux
einen geradezu minimalen Erzählstil, der wirklich nur das Nötigste an
Worten und nur sparsame Informationen gibt, was sich wieder Zeichnungen
aus seinen Anfängen, die zwar noch bei weitem nicht die Klarheit
späterer Jahre hatten, aber doch schon zu Ausruck und Atmosphäre fähig
waren.
Die Ursache oder vielmehr der Ursprung für die
Stilfindung Loustals liegt wohl in den Eindrücken begründet, die er 1983
(nach Beendigung seines Studiums) während seines Militärdienstes in
Marokko gewinnt und die er in seinen Zeichnungen verarbeitet. Hier beginnt
er durch den Einsatz von Aquarellund Gouache-Farben den Ausdruck in seinen
Bildern zu schaffen, den wir unwillkürlich mit der Hitze, der Wüste, dem
Schweiß auf der nackten Haut verbinden.
Die Bilder , die während seines Aufenthaltes in
Marokko entstehen, werden nach seiner Rückkehr als Buch unter dem Titel
"Zenata Plage" veröffentlicht und begründen den Beginn der
steilen Karriere Loustals. Hier scheint es ein Comic-Zeichner endlich
einmal geschafft zu haben, ohne bewußte Abguckerei seine Arbeiten auf
"Kunst"zu"trimmen" und ihnen damit ein nicht nur
oberflächlich vorhandenes Niveau zu geben. Der Leser, oder vielmehr
Betrachter dieser Bilder merkt schnell, daß hier ein Künstler sein
Handwerk, nämlich das Einfangen von Impressionen, Stimmungen geradezu
perfekt beherrscht, und daß es ihm gar nicht darum geht, großartig
aufgebaute, rasante Handlungen voller Action zu erzählen. Damit ist ein
weiteres Stilmittel in Loustals Arbeit gefunden, was auch bei Paringeaux
auf Begeisterung zu stoßen scheint.
Stilmittel: Die Wüste
Ein aus einer Unmenge an Sandkörnern stehendes
Territorium in diesem Zusammenhang als Stilmittel im Werk eines Künstlers
und de sen S n isten zu bezeichnen, erscheint hoffentlich nur a den ersten
Blick als ein wenig von-wer-weiß-wo-hergeholt, soll es doch nicht nur die
physikalische Beschaffenheit eines Landstrichs wiedergeben, sondern auch
Wüste in Gedanken, in Gesprächen, im Menschen selbst.
Denn genau dies sind die Handlungsträger in den
Geschichten von Paringeaux nach der Rückkehr Loustals und der
Veröffentlichung seiner "Zenata Plage"-Bilder. Der Trend in den
nun entstehenden Geschichten geht weg vom hektischen Großstadtund
Nachtleben, vom Betonmeer, entfernt sich von der Rockmusik und wird
stiller, einfühlsamer. Die Handlung entdeckt den freien Raum, die Leere.
Ausdruck findet dies in einer großzügigeren Panelaufteilung die
zuläßt. e zuweilen nur 2 Bilder pro Seite Aber auch
Landschaft und Himmel werden immer größere Objekte für Loustal er
entdeckt das Stilleben der Natur für den Comic. Parallel dazu entwickelt
Paringeaux einen geradezu minimalen Erzählstil, der wirklich nur das
Nötigste an Worten und nur sparsame Informationen gibt, was sich wieder
um günstig auf die graphische Entwicklung Loustals auswirkt, der nun
gefordert wird, mit seinen Bildern die fehlende, aber (sonst so)
notwendige Textmenge zu ersetzen. Die notwendige Konsequenz aus dem
bislang Gelernten, aus der jahrelangen Arbeit an vielen, vielen
Kurzgeschichten ziehen Loustal und Paringeaux dann des Jahres 1984,
als die ersten Seiten des Comic-Romans "Verwüstete Herzen"
(Coeurs de sable") in (A SUIVRE) erscheinen. Mit dieser auf 66 Seiten
angelegten Geschichte durchbrechen beide Künstler erstmals die selbst
auferlegten Barren und schaffen ein Comic-Werk von besonderer Qualität.
Ganz den Erzähl- und Strichtechniken ihrer bisherigen Kurzgeschichten
entsprechend, aber viel einfühlsamer, atmosphärischer und
differenzierter durch den gewonnenen Raum, setzen Loustal und Paringeaux
einen weiteren Meilenstein ihrer Zusammenarbeit.
LOUSTAL UND DIE MENSCHEN
Neben den mediterranen Ländern, deren Atmosphäre und
deren Hitze, sind es vor allem Menschen, die im Mittelpunkt der
Geschichten von Paringeaux stehen. Diese Vorliebe hat selbstverständlich
auch Jacques de Loustal maßgeblich in seiner Ausdrucksweise und seinem
Strich beeinflußt. Die Melancholie, eindeutig durch Langeweile oder die
Hitze hervorgerufen, setzt Loustal in der Darstellung den Charakteren wie
eine Maske auf, um das wahre Innere der Protagonisten zu verbergen:
Spannung, Unzufriedenheit, Wut und ab und zu auch mal Gewalt sind die
Haupteigenschaften der Paringeax 'schen Welt, die Loustal durch seine
Darstellung in die Figuren "einbaut".
Schon in den ganz frühen Arbeiten der beiden Franzosen
läßt sich ihre Begabung, in Erzählung und Bild zusammen eine
eindringliche Stimmung zu erzeugen, ausmachen. So zum Beispiel in
"Miss Fan USA" (1979), in der ein weiblicher Groupie vor
Sehnsucht und Erwartung nach ihrem Star vergeht, aber ganz selbstbewußt
und "cool" an ihren Auftritt vor ihm denkt. Träume und Wünsche
drehen sich im Kopf der "Miss Fan USA", als sie sich auf den Weg
ins Konzert macht, wo sie "ihn" sehen wird. Doch die
Unsicherheit steht ihr im Gesicht geschrieben, die Realität holt sie
spätestens vor Ihrem Star ein, und ihr Gesichtsausdruck, als sie später
neben ihrem Teddybär im Bett liegt, spricht Bände.
Viel differenzierter vollführen Loustal und Paringeaux
ihre Charakterisierungen in den Romanen Verwüstete Herzen'' und
"Besame Mucho". Diese Alben leben regelrecht von komplizierten
Personenbeschreibungen, und der Leser ist sich nicht so recht im klaren
darüber, ob er nun dem Text oder der Zeichnung mehr Aufmerksamkeit
schenken soll. Sagt die Textzeile beispielsweise in einer Szene aus
Verwüstete Herzen": "Langsam stieg er die Treppe zu seinem
Zimmer hinauf, knöpfte sich die Uniformjacke auf und nahm den Revolver
aus ein Halfter an der Wand", zeigt uns das Bild Loustals die
Fortsetzung der Szene, wo besagter Revolver bereits wartend auf dem Bett
liegt und Robert, der Gedemütigte, mit bitterer Miene überlegt, ob es
wirklich Zeit ist, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Beide Erzählungen, sowohl in Text-, als auch in
Bildform, lassen Robert verletzt erscheinen, drücken seine Hilflosigkeit
aus.
Loustal entwickelt die Darstellung von Personen in der
Zusammenarbeit mit Paringeaux stets weiter, bis er bei der Arbeit an
Einzelillustrationen auch ohne Text auskommt und dem Leser trotzdem eine
Kenntnis über die Figuren vermittelt, als hätte dieser schon ein ganzes
Buch über sie verschlungen Einen guten Überblick über Loustals
Qualitäten als "Bilderzähler" gibt der Kleinband "Pension
Maubeuge", in dem nur Einzelillustrationen zu sehen sind, und hier
ganz besonders das Bild Niedriger Raum" (1986). Allein der Titel
genügt, um dann am Gesichtsausdruck des dargestellten Paares zu erkennen,
daß ihr Raum wirklich zu klein sein muß, daß mehr Platz gewünscht ist,
um glücklicher zu werden. Denn sowohl der skeptische Blick des Mannes auf
die (zu niedrige) Decke, als auch der abwesende, leicht abgestumpfte
Ausdruck der Frau lassen nicht so recht das Gefühl des gemeinsamen
Glücks aufkommen.
Eine der schönsten Personendarstellungen Loustals
erschien 1987 in "Cosmopolitan". Das Brustbild einer Frau, die
sich, auf einem Sessel sitzend, von einem im Hintergrund stehenden Mann
mit einem klaren Blick abwendet, als wolle sie die vom Mann
ausgesprochenen Worte nicht glauben. Der Mann, ein wenig desinteressiert
auf die Frau blickend, scheint Wenig von der Reaktion der Frau bewegt, so
als wäre schon vorher, ohne daß er etwas hatte sagen müssen, alles klar
gewesen. Die Szene spielt sich in einer großzügig verglasten Wohnung ab.
Wir geniessen den Blick auf den Sonnenuntergang und viele Wolkenkratzer,
der die großartige Stimmung vervollständigt. "Es wird Nacht in
Manhattan", so der Titel des Bildes, drückt Atmosphäre in einer
Beziehung aus, stellt ein klares Verhältnis zwischen einer Frau und einem
Mann dar, ist eine weitere hervorragende Arbeit Loustals.
Loustal und der Jazz
Alles begann im Dezember 1957 in dem Pariser Jazz-Club
"St.Germain", als der amerikanische Jazz-Trompeter Miles Davis
mit einem Quartett (bestehend aus Barney Wilen, Tenorsaxophon; Rene
Urtreger, Piano; Pierre Michelot, Bass und Kenny Clarke, Schlagzeu ) für
ein dreiwochiges Spiel engagiert wurde. Gleichzeitig namlich suchte der
französische Regisseur Louis Malle nach einer passenden, atmosphärischen
Musik zu seinem gerade abgedrehten Krimi "Fahrstuhl zum
Schafott" ("L'ascenseur pour l'echafaud", mit Jeanne Moreau
in der Hauptrolle), und er fragte kurzerhand den jungen Miles
(photo: links nach rechts Miles Davis, Rene Urtreger,
Barney Wilen)
Davis und seine Musiker nach Probeaufnahmen für sein
Vorhaben. Entstanden ist so wenige Tage später in einem kleinen Pariser
Tonstudio, wo die mit Musik zu unterlegenden Szenen des Films vor den
Musikern abliefen, die wohl berühmteste Film-Jazzmusik. Davis und seine
Musiker improvisierten derart perfekt und auf den Film abgestimmt, daß
der eigentlich ziemlich einfach und belanglos gedrehte Streifen enorm an
Stimmung und Wirkung gewinnt; 1957 wird die Filmmusik mit dem "Prix
Louis Delluc", 1958 mit dem "Grand Prix du disque"
ausgezeichnet. Eine ganze Reihe weiterer Aufnahmen von schwarzen
Jazymusikern (z.B.Art Blakey und The Modern Jazz Quartet) für den
französischen Film folgten dem genialen Vorreiter.
Der großen Popularität dieser Aufnahmen aus dem
Dezember 1957 ist es wohl auch zu verdanken, daß der bis dahin kaum
bekannte Tenorsaxophonist Barney Wilen in das Licht der Öffentlichkeit
rückte und knapp 30 Jahre nach dem "Fahrstuhl zum Schafott"
Modell und Protagonist in einem im JazzGenre angesiedelten Comic wurde.
Ganz klar, als Liebhaber der "films policier
"aus den 50er und 60er Jahren kennt Philippe Paringeaux die Musik zu
einem der atmosphärisch-dichtesten Filme dieser Gattung, und als Jazz-Fan
sind ihm die Aufnahmen des damaligen Miles Davis-Quintetts schon gar nicht
unbekannt. Was liegt also näher, als, auf der Suche nach einer Idee Tür
einen neuen Comic mit Loustal, die Motive, die Figuren, die Handlungsorte,
ja selbst die Stimmungen einzufangen und so eine Hommage an die große
Zeit des Jazz in Europa (speziell Frankreich, wo viele schwarze Musiker
Ende der 50er Jahre eine enorm große Fangemeinde hatten) zu schaffen?
In dem für das geplante Album entstehenden Titel,
"Barney et la note bleue", ist außer der namentlichen Parallele
(zu dem im Comic erscheinenden Tenorsaxophonisten) auch der berühmte
Pariser Jazz Club "La note Bleue" verewigt, in dem so viele
Jazzmusiker noch einmal Sternstunden ihrer Karrieren erleben durften,
bevor sie endgültig von der Bildfläche verschwanden.
Die für die Jazzmusik-Szene so berüchtigte, fast
schon legendäre Tatsache, daß die Vielzahl der Musiker immer am Rande
des Existenzminimums dahin vegetieren und nur wenige, ganz wenige den
Sprung nach oben schafften, ist auch das zentrale Thema des Ende 1985 in
(A SUIVRE) beginnenden Comic-Romans von Loustal und Paringeaux. In
"Barney et la note bleue" sind es die realen Drogen Alkohol und
Rauschgift, die das Leben des Hauptprotagonisten Barney zerstören und
seine gerade wieder aufgeflammte Karriere als Saxophonist erneut beenden.
Diesmal endgültig...
Es zeigte sich, daß die von Loustal für "Besame
Mucho" (so der Titel der deutschsprachigen Ausgabe) geschaffenen
Bilder in seinem nun charakteristischen Stil, in dem die Farbe dominiert
und der Strich reduziert ist, all die Atmosphäre und Dichte der Szenerie
und Handlung einzufangen weiß, die für eine Erzählung dieses Genres
unerläßlich ist. Das einzige, was diesen Comic noch von
"realen" Geschehnissen trennt, ist die Musik, die sich ja leider
nicht zweidimensional ausdrücken läßt. Wieder war es Paringeaux'
Leidenschaft für die Jazzmusik, die diesem Vakuum Abhilfe leisten sollte.
Daß der Tenorsaxophonist Barney Wilen die tragende Rolle im neuesten
Comic-Roman des Szenaristen spielt (der entgegen der Comic-Handlung
übrigens noch lebt), ist auf die Bekanntschaft des Musikers mit dem
Journalisten zurückzuführen, und nach langen Gesprächen, in denen
Handlung und Aufbau des Comic diskutiert werden, entsteht auch die Idee,
eine "Comic-Musik" zu "Barney et la note bleue"
einzuspielen, ganz wie zu Zeiten des *Fahrstuhl zum Schafott. Barney Wilen
versammelt ebenfalls ein Quartett unbekannter Musiker um sich, um im
Dezember 1986, also 29 Jahre nach den Miles Davis-Aufhahmen, 13 Stücke
(den Kapiteln des Buches entsprechend) für die Schallplatte" La note
bleue" aufzunehmen. Die Platte umgibt gewiß nicht die mysteriöse
Stimmung der Aufnahmen zu 'Fahrstuhl zum Schafott", und doch
unterstützt sie den Gesamteindruck beim Lesen des Albums nicht
unerheblich, zumal die Musik sehr souverän arrangiert und eingespielt
wurde.
Die Arbeit an und die Veröffentlichung von
"Barney et la note bleue", deren Ziel die Wiederentdeckung der
Jazzmusik war , die Bildung eines eigenen Genres, wurde durch ein
Medienereignis von ganz anderen Ausmaßen begleitet, welches die Comic-Publikation
in den Schatten stellte. Der französische Regisseur Bertrand Tavernier
drehte fast zeitgleich zur Arbeit Loustals und Paringeaux seinen Film
"Round Midnight" ("Um Mitternacht " ) ab, der, hier
als Produkt der Achten Kunst, diesselbe Thematik, also das letzte Viertel
im Leben eines einst großen Jazz-Saxophonisten, hat. Loustal sagt im
anschließenden Interview, daß er während der Arbeit an "Barney et
la note bleue" noch nichts von dem Film Taverniers wußte, und auch
Tavernier glaubt in einem in (A SUIVRE) veröffentlichten Interview an den
großen Zufall, der beide Arbeiten parallel entstehen ließ. Wie dem auch
sei, beide visuellen Seherlebnisse, das eine mit der Musik Barney Wilens,
das andere mit den Kompositionen Herbie Hancocks, kennzeichnen den Beginn
der Wiederentdeckung des Jazz; als Musik, als Genre und ... als Erlebnis.
Dazu Volker Kriegel (Jazz-Gitarrist) in der August-Ausgabe 1989 des
schweizerischen Kulturmagazins "du": "...Die Industrie samt
angeschlossener Werbung hat schon seit geraumer Zeit geschnallt, daß aus
dem Mythos Jazz noch ordentlich Kapital zu schlagen ist. Das Four-Letter-Word
JAZZ ziert einen japanischen Kleinwagen und ein französisches Parfum Seit
Jahren wimmelt es in den Werbespots von Saxophon-bestückten Mädels, die
so tun, als bliesen sie sich die Seele aus dem ranken Leib."
© Dossier Loustal p. 53 -67 , in
:Comic Reddition, nr. 15 edition Alfons, 1989